HAGENHAGEN
10. März 2013 — By Hauke Hagen

Lebensgeschichte in Episodenform

Ich mag echte Geschichten aus dem Leben. Eine grandiose wird derzeit im Netz erzählt. Sie trägt den Titel Shore, Stein, Papier. Seit einigen Monaten verfolgt mich der Begriff Storytelling. Ein Anglizismus, der beschreibt, was Menschen seit jeher machen: Sie erzählen sich Geschichten. Mit diesem Artikel empfehle ich eine dieser Geschichten aus dem Leben. In der […]

Ich mag echte Geschichten aus dem Leben. Eine grandiose wird derzeit im Netz erzählt. Sie trägt den Titel Shore, Stein, Papier.

Seit einigen Monaten verfolgt mich der Begriff Storytelling. Ein Anglizismus, der beschreibt, was Menschen seit jeher machen: Sie erzählen sich Geschichten. Mit diesem Artikel empfehle ich eine dieser Geschichten aus dem Leben. In der neuen Videoserie namens Shore, Stein, Papier erzählt ein namentlich nicht genannter Mann retrospektiv von seiner Jugend als Krimineller.

Als Zuschauer sehen wir einen Mann an einem Küchentisch sitzen, der ins Off schauend vor sich hin erzählt und von Zeit zu Zeit an seiner Zigarette zieht. Der mittlerweile Enddreißiger blickt durchaus kritisch, oft nachdenklich aber auch humorvoll etwa zwei Jahrzehnte zurück. Inhaltlich entwickelt sich die Geschichte von den ersten Erfahrungen mit harten Drogen, familiären Problemen und dem Einstieg in die Drogenszene Hannovers über den Alltag eines Junkies, Obdachlosigkeit, Beschaffungskriminalität (für die Refinanzierung des Drogenkonsums), die Professionalisierung der Einbrüche und den Verkauf der Hehlerware bis hin zur Festnahme und dem ersten Gefängnisaufenthalt. Die größte Rolle spielen während der Erzählungen die Menschen, die den Lebensweg des einstigen Kriminellen in den unterschiedlichen Abschnitten begleitet haben: Familie, Beziehungen, befreundete Junkies und Kriminelle, die Drogenszene Hannovers, Hehler, Geschäftsleute und die Kriminalpolizei.

Die gesamte Geschichte ist in mittlerweile 51 Episoden unterteilt, die seit Dezember 2012 in unterschiedlichen Längen von circa drei bis 20 Minuten nach und nach auf einem YouTube-Channel veröffentlicht werden. Die Serie stammt von der Marke zqnce, welche bisher ganz im Zeichen mysteriösen Understatements unterwegs ist und sich im Netz knapp wie folgt beschreibt:

„zqnce steht für zeitgemäßes urbanes Unterhaltungsfernsehen im Internet.“

 

Zu Recht. Weiteres Format neben Shore, Stein, Papier ist die Sendung VieJetzt?!, in der Moderatorin Visa Vie in mehreren Episoden jeweils vier bekannte Menschen aus der Rapszene einlädt und mit ihnen zusammen für einige Stunden über das Leben philosophiert beziehungsweise in kreativer Weise interagieren lässt.

Zurück zu erstgenannter Sendung. Was fasziniert an Shore, Stein, Papier? Was sorgt dafür, dass ich das Format dem klassischen, linearen TV-Programm in jedem Fall vorziehe? Die reine Erzählung regt die Vorstellungskraft an wie ein Hörbuch. Darüber hinaus ist die Hauptfigur durch das Videoformat greifbar. Mimik und Gestik kommen unmittelbar rüber und bestärken die Tatsache, wahren Geschichten lauschen zu dürfen. Der Erzähler ist echt. Seine Erzählungen handeln von einer Szene, mit der ich bisher wenig Berührungspunkte hatte, obwohl sich ähnliche Dinge im Großstadtleben direkt vor unserer Nase abspielen. Das Blicken über den Tellerrand erweitert seit jeher Horizonte. Des Weiteren bin ich davon überzeugt, dass Drogenprävention nur in dieser Form – dem authentischen Darlegen von Schicksalen – fruchtbar sein kann.

Mittlerweile habe ich mir alle 51 Episoden reingezogen, insgesamt knapp sechs Stunden Erzählung. Ein zweite Staffel wurde bereits angekündigt. Ich bin gespannt, wie die Geschichte weitergeht.

Und kann jedem ans Herz legen, reinzuschauen: