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7. August 2012 — By Hauke Hagen

Individueller Bewegtbildmix statt linearem TV

Das klassische Fernsehprogramm läuft tagtäglich vor sich hin. An mir vorbei. Mit den täglich wachsenden Massen an Videos und Live-Streamingangeboten, die uns im Internet zur Verfügung stehen, werden viele TV-Zuschauer unweigerlich ihr Verhalten verändern: Ich denke, dass sie sich in Zukunft ein deutlich individuelleres Programm aus den unterschiedlichsten Bewegtbildquellen zusammenstellen. Nach einer Weile der Selbstbeobachtung […]

TV

Das klassische Fernsehprogramm läuft tagtäglich vor sich hin. An mir vorbei.

Mit den täglich wachsenden Massen an Videos und Live-Streamingangeboten, die uns im Internet zur Verfügung stehen, werden viele TV-Zuschauer unweigerlich ihr Verhalten verändern: Ich denke, dass sie sich in Zukunft ein deutlich individuelleres Programm aus den unterschiedlichsten Bewegtbildquellen zusammenstellen. Nach einer Weile der Selbstbeobachtung gibt’s nachfolgend meinen persönlichen Bewegtbildmix als Beispiel.

Linearer TV-Konsum = Live-Sport

Es gibt lediglich ein Format, das ich noch klassisch aus dem laufenden Programm heraus und zur vom Sender vorgegebenen Zeit im TV schaue: Live-Sport. Denn dieser lebt von der Spannung und vom Mitfiebern während des Wettkampfes. Live-Sport schaut man sich allein deshalb nicht als Aufzeichung an, weil man sich darum kümmern muss, bis zum nachträglichen Schauen nichts vom Wettkampf und dessen Ausgang mitzubekommen. Wer das im Selbsttest erfahren möchte, der möge in der kommenden Fußballbundesliga-Saison einfach mal versuchen, bis zur Nachberichterstattung im aktuellen Sportstudio nichts vom Ausgang der Spiele zu erfahren. Wenn ich nicht auf Twitter verzichten möchte bleibt das ein nahezu unmögliches Unterfangen.

Live-Sport, den ich im TV schaue, beinhaltet die Übertragungen von Basketball-Bundesliga, Sport-Großereignissen wie der Fußball Europameisterschaft und derzeit selbstverständlich auch einigen Wettkämpfen von den olympischen Spielen in London. Das war’s dann allerdings auch schon mit dem Free-TV. Aufgrund des geringen Angebots beschränkt sich mein Sportkonsum im TV zu großen Teilen auf kostenpflichtige Alternativen: Aktuell nehme ich mit Liga total! (Fußballbundesliga live) und NBA.tv (Nordamerikanische Basketballliga live und on demand) bereits zwei Angebote langfristig in Anspruch. Letzteres ist in Deutschland bereits ein reines Online-Angebot.

TV on demand = Ergänzendes Beiwerk

Ja, ich habe einen TV-Anschluss. Dieser bietet mir gefühlt mehrere hundert Kanäle. Von dieser Vielfalt nutze ich vielleicht fünf bis sieben Stück. Das gute alte Zapping und Hängenbleiben an TV-Sendungen gibt es bei mir einfach nicht mehr. Hintergrund: Als Abonnent eines Entertain-IPTV-Pakets habe ich seit kurzem die Möglichkeit, sehenswerte Sendungen aus dem laufenden Programm auf einem Festplattenrecorder aufzunehmen. Die Programmierung der Aufnahmen erledige ich meist dann, wenn ich von einer interessanten Sendung erfahre. Möglich macht dies die Anwendung namens Programm-Manager, die nicht nur über den Fernseher sondern auch über eine Website oder die entsprechende Smartphone-App angesteuert werden kann.

On demand und aus dem laufenden TV-Programm aufgenommen schaue ich vor allem Filme, Serien, Dokumentationen und Talkformate. Mein Konsum von Filmen und Serien verändert sich dabei ähnlich wie der Live-Sport nach und nach hin zu kostenpflichtigen Angeboten. Dies sind dann Online-Videotheken oder gar Shops.

Online-Vielfalt über das TV = Mein Bewegtbildmix

Von den TV Kanälen nutze ich wie gesagt nur noch eine Handvoll. Der Grund: Mit dem Anschluss des eigenen Notebooks an den Fernseher wird letzterer zum Bildschirm. Im Internet gibt es riesige Massen an guten Inhalten, die ich mir im Vergleich mit den zuvor genannten Möglichkeiten noch individueller zusammenstellen kann. Die entscheidenden Vorteile gegenüber dem TV-Programm: Ich kann Inhalte aus der ganzen Welt abrufen und bin dabei auf keinerlei Absender beschränkt. Über das Netz schaue ich vor allem (Kurz)Filme, Dokumentationen und Vorträge zu einem meiner Interessensgebiete mit Längen von 10-90 Minuten. Beispiele gefällig? Die 10-minütige eigenveröffentliche Streetart-Animation über Vimeo, der halbstündige Konferenzvortrag eines inspirierenden Startupgründers über den YouTube-Channel der Konferenz, die Dokumentation über Fußball und Wirtschaft in Spielfilmlänge über die Online-Mediathek des TV-Senders, der regelmäßige viertelstündige Video-Podcast über Netzweltthemen über das iTunes-Abonnement.

Darüber hinaus habe ich in diesem Jahr zum ersten Mal eine komplette Staffel einer Serie über Apples iTunes käuflich erworben. In Online-Videotheken kann ich mir Filme für 24 Stunden freischalten und habe dabei eine riesige Auswahl, die stetig wächst. Diese Online-Angebote schaue ich mir mit der entsprechenden HD-Bildqualität über das Notebook direkt auf dem Fernseher an.

Und wie bereits angedeutet wandert auch der Live-Sport ins Netz ab: NBA.tv ist hier in Deutschland ein reines Online-Angebot. Einige Sportübertragungen lassen sich also im statischen Fernsehprogramm über Kabel, Satellit oder IPTV (Fernsehen über die Internetverbindung) überhaupt nicht empfangen. Nach und nach beginnen auch deutsche Sportligen mit der Übertragung einzelner Spiele über das Internet. Ein schönes Beispiel dafür ist die Basketball Bundesliga, die in der vergangenen Saison diverse Spiele über ihren YouTube Channel gestreamt hat. Dort, wo viele heute noch über Qualitätsprobleme klagen, wird in Zukunft mit steigenden Bandbreiten entscheidend gerockt.

Der Umgang mit der Freiheit und der Vielfalt

Nun kommen bei den geschilderten Punkten zwei Fragen auf: Wann schaut der Typ denn das ganze angesammelte Zeugs, wenn nicht gerade Live-Sport auf dem Programm steht? Und wie kommt er bei der riesigen Vielfalt an Angeboten denn dann an seine Programmauswahl?

Auf erstere Frage gibt es eine einfache Antwort – wenn ich ein bisschen Zeit und Bock drauf habe. Ich schaue die Sammlung Stück für Stück, in relaxter Atmosphäre. Ohne jegliche Ablenkung oder Unterbrechung. Wenn keine alternative Abendplanung ansteht, ziehe ich mir abends ein zwei Stündchen aus dem eigenen Archiv rein. Es kommt auch vor, dass ich mir an einem verregneten Sonntag eine halbe Staffel einer Serie am Stück ansehe.

Mit der riesigen Vielfalt kommt in der Tat ein kleines Problem auf. Man muss die passenden Angebote im Netz erst einmal finden. Das kommt bei mir als netzumtriebiger Mensch schon fast von allein: Vor allem beim Surfen kommt es zu spontanem Sammeln von Links und Hinweisen auf aufnehmenswerte TV-Sendungen. Dazu kommen Tipps von Freunden und Twitter-Kontakten. Grade bei Twitter kommt es vor, dass sehr kurzfristig vor Beginn oder während einer klassischen TV-Sendung empfohlen wird. Das führt dann meist zu Aufnahme meinerseits. Ansonsten wird über Twitter und Facebook in riesigen Maßen Material on demand empfohlen. Erfahre ich von sehenswerten Filmen oder Sendungen, schicke ich mir die Links oder Hinweise meist per Mail zu, speichere Links bei Lese-Archiven wie Pocket, nutze die Später ansehen-Funktion von YouTube oder nutze den Programm-Manager für die TV-Aufnahme. Darüber hinaus nutze ich seit kurzem den Dienst Moviepilot, bei dem ich nach Bewertung einiger Lieblingsfilme neue Empfehlungen bekomme. Bei älteren Filmen beinhalten die Empfehlungen manchmal sogar die Angabe des entsprechenden TV-Termins im Free-TV.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Ich beobachte das Bedürfnis vieler Menschen nach einem individuelleren Fernseherlebnis, welches derzeit verstärkt online und bei kostenpflichtigen Anbietern zu finden ist. Je mehr Menschen von diesen Möglichkeiten erfahren, desto mehr Menschen werden sie nutzen. Und anstatt mehr Sendungen nur noch die Interessanten schauen.